50 Jahre Parlamentarische Linke

Auftaktveranstaltung

„Woher wir kommen, wohin wir wollen“

Die Parlamentarische Linke in der SPD-Bundestagsfraktion feiert in diesem Jahr ihr 50. Jubiläum. Dies zum Anlass genommen, fand zum Auftakt des Jubiläumsjahres am Dienstag, den 14.05.2019, eine Podiumsdiskussion mit ehemaligen sowie aktiven Mitgliedern der Parlamentarischen Linken im Kreise langjähriger WegbegleiterInnen statt. Unter dem Titel „Woher wir kommen, wohin wir wollen“ erinnerten sich unsere Gäste auf dem Podium sowie im Plenum an vergangene Erfolge und wiesen auf die derzeit drängenden Herausforderungen einer linken Sozialdemokratie hin.

Zu Beginn formulierte der ehemalige Präsident des Deutschen Bundestages Wolfgang Thierse die seit einem halben Jahrhundert andauernde zentrale Aufgabe der Fraktionslinken als die Zusammenführung von theoretischen Überlegungen mit pragmatischem Handeln. Eine von ihm attestierte Krise der SPD-Linken, welche in besonderem Maße durch den Wegfall der Systemkonkurrenz 1989 bedingt wurde, liege in der ungleich gewichteten Ausbalancierung dieser beiden Seiten. Weder die reine theoretische Auseinandersetzung noch das pragmatische Regierungshandeln, losgelöst von jeglichen programmatischen Überzeugungen, sei zielführend. Vielmehr stärke das Überführen sozialdemokratischer Grundwerte in konkrete politische Maßnahmen die soziale Demokratie.

Gefragt nach den Erfolgen der Parteilinken in den vergangenen 50 Jahren, betrachtete der Demokratieforscher Dr. Matthias Micus der Universität Göttingen die Ursprünge der Vorgängerorganisation der PL -„Gruppe der 16. Etage“ –, die sich im Jahr 1969 konstituierte. Die Mitglieder, vom Spiegel seinerzeit als „Juso-Lobby“ betitelt, hätten dem damaligen Zeitgeist antikapitalistischer und sozialer Bewegungen entsprochen und angestrebt, die im Zuge der sog. 68er-Bewegung vorgetragene Herrschaftskritik inklusive der damit verbundenen Ausdrucksformen in die parlamentarische Arbeit der SPD-Bundestagsfraktion einzubringen. Auch dieser innerparteiliche Impuls hätte in den Folgejahren dazu geführt, dass viele junge Menschen die SPD als Partei des gesellschaftlichen Aufbruchs wahrnahmen und diese politisch erfolgreich wurde. Dementsprechend ließe sich die kontinuierliche Weiterentwicklung der Parlamentarischen Linken zu einem Ort, an dem unter Beibehaltung der konstruktiven Kritikfähigkeit gegenüber pragmatischen Regierungshandeln auch immer die langfristigen gesellschaftlichen Perspektiven skizziert wurden, als größter Erfolg feststellen.

Für Edelgard Buhlman, ehemalige Bundesministerin für Bildung und Forschung, lag die Stärke der Fraktionslinken ebenfalls darin, progressive Ideen innerhalb sozialer Gruppen aufgenommen und in konkrete Politik umgesetzt zu haben. Diesen Anspruch, gesellschaftlichen Fortschritt aktiv mitzugestalten und dabei die Demokratisierung der Gesellschaft voranzubringen, gelte es wieder stärker zu bemühen.

In Anbetracht der aktuellen Debatte komme man daher nicht darum herum, so Wiebke Esdar, die Verwerfungen und Ungerechtigkeiten der kapitalistischen Wirtschaftsweise kritisch zu thematisieren. Die Bielefelder Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Leitungskreis der PL betonte, man müsse die Frage stellen, welchen Zugriff politisches Handeln auf die marktzentrierte Wirtschaftsordnung habe. Der Markt allein könne nicht alles regeln, denn dort, wo Gewinnmaximierung das primäre Ziel des Wirtschaftens sei, werde das gesellschaftliche Zusammenleben stark belastet. Antworten auf die profitgetriebene Ökonomisierung öffentlicher Daseinsvorsorge – bspw. Wohnungen oder Pflegeeinrichtungen – könnten nur im Gemeinwohlinteresse liegen. Esdar machte klar, dass die PL in der Tradition ihrer Vorgängerorganisationen weiterhin radikalere Fragen stellen müsse, um letztlich zukunftsfähige Antworten auf die heutigen komplexen Sachverhalte zu finden.

Ähnlich äußerte sich Matthias Miersch, Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion. Er hielt fest, dass die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen die programmatische Neuausrichtung der Parteilinken erforderlich mache. Denn es gelte, an Kristallisationspunkten die großen Fragen unserer Zeit zu beantworten. An vorderster Stelle betreffe das die sozial-ökologische Transformation unter Anerkennung der planetaren Grenzen. Stärker als bisher müsse man soziale Garantien mit ökologisch-nachhaltigen Aspekten zusammenzuführen. Unter umweltpolitischen Fragen ließen sich alle sozialdemokratischen Antworten für mehr soziale Gerechtigkeit subsumieren. Somit könne die SPD wieder als Partei des gesellschaftlichen Aufbruchs wahrgenommen werden. Als wichtige Voraussetzung sieht Miersch den Willen dafür aufzubringen, den eigenen Markenkern gegenüber anderen Parteien deutlich zu machen. Dementsprechend müsse die SPD mehr polarisieren – auch in Abgrenzung zu den Koalitionsparteien.

Auch in weiteren Wortbeiträgen wurden diese Punkte herausgestellt und betont,  die Parlamentarische Linke habe weit über die Fraktionsgrenzen hinaus all die Jahre wesentlich dazu beigetragen, Diskussionen für eine progressive Zukunft in den Mittelpunkt zu stellen und dabei wegweisende politische Entscheidungen zu erzielen.

Nach diesem spannenden Auftakt in das Jubiläumsjahr der Parlamentarischen Linken werden wir die kommenden Monate für weitere Diskussions- und Gesprächsgelegenheiten nutzen, um aus unserer vielschichtigen Vergangenheit Rückschlüsse für unsere zukünftige Arbeit als Linke in der Sozialdemokratie und der SPD-Bundestagsfraktion zu ziehen.