Fairhandel statt Freihandel

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Der Begriff Freihandel ist trügerisch. Die Befürworter von Freihandelsabkommen klagen, dass der freie Handel von Zöllen und unterschiedlichen technischen Standards blockiert wird. Es wird aber verschwiegen, dass wir dagegen im Bereich Umweltschutz, Menschen- und Arbeitnehmerrechte keinerlei Beschränkungen für den Handel haben.

Während Bananen nur mit einer vorgeschriebenen Länge und Breite in die EU importiert werden dürfen, können massenhaft T-Shirts, an denen Blut klebt, ungehindert auf unsere Ladentische gelangen. Ausbeutung und menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse stellen kein Hindernis für den Handel dar, hier herrscht faktisch bereits weltweit Freihandel im übelsten Sinne. Die Einhaltung ökologischer, menschenrechtlicher und sozialer Standards muss deshalb in den geplanten Handelsabkommen der EU verbindlich verankert werden, damit aus dem freien auch ein fairer Handel wird. Das Handelsabkommen der EU mit den USA (TTIP), das etwa die Hälfte des globalen Bruttosozialproduktes umfasst, wird weltweit Maßstäbe auch für Abkommen mit Entwicklungs- und Schwellenländern setzen. Es ist gut, dass es im Beschluss des SPD-Parteikonventes als oberstes Ziel heißt: „TTIP muss seinen Wert darin beweisen, dass es zu Fortschritten beim Schutz von Arbeitnehmerrechten, dem Verbraucherschutz und nachhaltigem Wirtschaften im globalen Maßstab beiträgt.“

Grundvoraussetzung für einen wirksamen Schutz von Arbeitnehmerrechten ist die Einhaltung und Umsetzung der acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die von allen 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union ratifiziert wurden. Genau hier liegt aber das Problem, denn die USA haben bisher nur zwei Kernarbeitsnormen ratifiziert. In vielen Bundesstaaten führt dies zur Verhinderung von Betriebsräten und zur Behinderung wichtiger Gewerkschaftsarbeit. Deshalb müssen wir genau darauf achten, dass die Einhaltung und Umsetzung aller ILO-Kernarbeitsnormen verbindlich in TTIP verankert wird. Bei den bisherigen Freihandelsabkommen der EU mangelt es vor allem an Verbindlichkeit und Sanktionsmöglichkeiten. Während bei Verstößen gegen handelsbezogene Bestimmungen in der Endkonsequenz die Aussetzung der Handelsvorteile verhängt werden kann, droht bei Nicht-Einhaltung von Arbeitnehmerrechten lediglich die (folgenlose) Rüge eines Expertengremiums. Deshalb hatte die SPD-Bundestagsfraktion in der letzten Legislaturperiode das EU-Freihandelsabkommen mit Peru und Kolumbien im Deutschen Bundestag abgelehnt.

Da die gleiche Unverbindlichkeit bei Arbeitnehmerrechten beim Abkommen mit Kanada (CETA), das bisher nur sechs von acht ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert hat, angelegt ist, müsste die SPD-Bundestagsfraktion CETA in der jetzigen Form ebenfalls ablehnen. Gleiches würde für TTIP gelten. Gedeckt wäre solch ein Vorgehen durch den Koalitionsvertrag, in dem ausdrücklich die verbindliche (!) Verankerung der ILO-Kernarbeitsnormen in allen Freihandelsabkommen der EU festgeschrieben steht.

Es ist gut, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund in einer gemeinsamen Stellungnahme mit Wirtschaftsminister Gabriel zu TTIP darauf bestanden hat, dass beide Vertragspartner ein Zeitfenster vereinbaren „müssen“, innerhalb dessen Ratifizierung, Umsetzung und Überwachung dieser internationalen Übereinkünfte geregelt wird. Es ist dagegen bedauerlich, dass im SPD-Parteikonventsbeschluss ausgerechnet an dieser Stelle abgewichen wird und aus dem „müssen“ ein „sollten“ gemacht wurde. Für mich kann es für die SPD-Bundestagsfraktion gleichwohl in der Konsequenz vorangegangener Abstimmungen, der obersten Zielsetzung des Parteikonventsbeschlusses und der Formulierungen des Koalitionsvertrages nur bedeuten, dass wir sowohl CETA als auch TTIP im Deutschen Bundestag ablehnen müssen, wenn die verbindliche Einhaltung und Umsetzung aller ILO-Kernarbeitsnormen nicht eindeutig gewährleistet wird. Andernfalls könnten wir auch kaum von Indien oder Vietnam, mit denen die EU zur Zeit parallel verhandelt, einfordern, dass alle ILO-Kernarbeitsnormen auch dort umgesetzt werden müssen. Wir haben jetzt die wegweisende Chance, die Globalisierung gerechter zu gestalten und weltweit würdige Arbeitsbedingungen für Milliarden Menschen zu ermöglichen.

Wenig beeindrucken lassen sollten wir uns als Bundestagsabgeordnete von markigen Sprüchen aus Brüssel, wonach CETA schon endverhandelt und nicht mehr änderbar sei. CETA ist genauso wie TTIP ein gemischtes Abkommen. Das bedeutet, dass alle 28 Parlamente der EU-Mitgliedstaaten zustimmen müssen. Bereits eine einzige Ablehnung würde das gesamte Abkommen außer Kraft setzen. Es ist ein zutiefst gefährliches Demokratieverständnis der EU-Kommission, wenn die Rolle der nationalen Parlamente nun auf ein reines Abnicken bereits fertig ausgehandelter Verträge reduziert werden soll.

Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von ihren Bundestagsabgeordneten zu Recht, dass ihre Bedenken sorgfältig im Parlament geprüft werden. Es muss im Deutschen Bundestag weiterhin das Struck’sche Gesetz gelten, wonach kein Gesetzentwurf so aus dem Bundestag rauskommt, wie er reinkommt. Brüssel wird nachverhandeln und unsere Änderungsvorschläge umsetzen müssen.

Dieser Artikel ist erstmalig am 06. Oktober 2014 in der Frankfurter Rundschau erschienen.