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Adam Smith war ein Anhänger, David Ricardo ebenso und sogar Milton Friedman konnte ihr etwas abgewinnen: Bei Ökonomen gilt die Grundsteuer bis heute als eine der gerechtesten Steuerarten. Die Vorzüge der Grundsteuer liegen auf der Hand: Sie besteuert den Grundbesitz. Dessen Nutzung ist ohne Leistungen des Gemeinwesens – also ohne Straßen, Strom- und Wasserleitungen – nicht sinnvoll möglich. Mithin ist es gerechtfertigt, diese Realsteuer zu erheben. Zudem setzt die Steuer kaum ökonomische Fehlanreize, sie ist deutlich robuster gegenüber Krisenzeiten als viele andere Steuerarten und auch ihre Sozialverträglichkeit ist gegeben, da die Steuerlast davon abhängt, wie viel das jeweilige Grundstück und die darauf errichteten Immobilien wert sind.

Bekanntlich aber ist die Grundsteuer in Deutschland auf die schiefe Bahn geraten, ihre soziale Ausgewogenheit ist inzwischen nicht mehr gegeben. Warum? Die Bemessungsgrundlagen der Steuer sind völlig veraltet – die Einheitswerte sind im Westen auf das Jahr 1964 und im Osten auf das Jahr 1935 festgesetzt und seitdem nicht angepasst worden. Grundstücks- und Immobilienpreise sind in den vergangenen Jahren jedoch dramatisch gestiegen, gerade in Ballungsräumen wie München oder Hamburg. In anderen Regionen Deutschlands, die vom Strukturwandel oder schwindenden Bevölkerungszahlen betroffen sind, sieht die Entwicklung anders aus.

Was sind die Folgen? Grundbesitzer, Hauseigentümer und Mieter zahlen heute eine Steuer, die mit den tatsächlichen Grundstücks- und Immobilienwerten des Jahres 2016 nichts zu tun hat – die einen zahlen zu viel, die anderen zu wenig. Das geradezurücken ist eine Frage der Gerechtigkeit: Ein Villenbesitzer in Hamburg-Blankenese sollte mehr Grundsteuer bezahlen müssen als Tante Erna für ihr kleines Häuschen irgendwo auf dem Land.

Der politische Handlungsdruck wird durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs akut, der die veraltete Einheitsbewertung des Grundvermögens bereits als verfassungswidrig eingestuft und die Frage an das Bundesverfassungsgericht weitergereicht hat. Sollte sich Karlsruhe dieser Auffassung anschließen und die Grundsteuer kippen – dass dies durchaus im Bereich des Möglichen liegt, zeigt das Beispiel der Erbschaftssteuer – wäre nicht nur die Politik blamiert, die es jahrzehntelang nicht geschafft hat, die Grundsteuer zu reformieren.

Vor allem würde eine solche Entscheidung die Handlungsfähigkeit der Kommunen massiv bedrohen. Denn die Einnahmen aus der Grundsteuer gehören mit derzeit rund 13 Milliarden Euro pro Jahr zu den wichtigsten Finanzquellen der Kommunen. Angesichts der anhaltenden kommunalen Unterausstattung hat die Grundsteuer gerade in klammen Städten und Gemeinden immer mehr an Bedeutung gewonnen: Beim Hebesatz wird die Schwelle von 1000 Prozent gerade von mehreren Kommunen gerissen. Unglaublich, aber wahr.

Eingedenk dieser Entwicklung hat sich die Große Koalition in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, „die Grundsteuer unter Beibehaltung des kommunalen Hebesatzrechtes für Kommunen zeitnah zu modernisieren“. Der Bundesfinanzminister legte jedoch die Hände in den Schoß. Dafür haben nun die Länder, nach jahrzehntelangen Diskussionen, endlich einen Gesetzentwurf im Bundesrat auf den Weg gebracht. Ihr Plan sieht vor, die immerhin 35 Millionen „wirtschaftlichen Einheiten“, sprich Grundstücke und Immobilien, ab 2022 (!) neu zu bewerten. Ab 2027 geht’s dann richtig los mit der neuen Grundsteuer. Von da an soll der Wert der Grundstücke regelmäßig aktualisiert werden.

Ob das Verfassungsgericht angesichts dieser Umsetzungsdauer die Geduld der Länder teilt, wird sich zeigen. Immerhin gibt es nun aber einen konsensfähigen Vorschlag, der von einer großen Mehrheit der Länder und auch von den drei kommunalen Spitzenverbänden unterstützt wird. Konsensfähig? Hamburg aus taktischen und Bayern aus prinzipiellen Gründen haben ihre Zustimmung verweigert.

Denn in Bayern möchte man Steuersenkungen zum Thema im Bundestagswahlkampf machen. Da stört schon der Ruch, dass durch eine Reform irgendjemand mehr bezahlen könnte, als vorher. Es drohe eine gewaltige Steuererhöhung oder die Mieten würden explodieren, so orakelt man in Bayern. Dabei sieht der Vorschlag der Länder gerade keine Steuererhöhungen vor. Vielmehr setzt die Reform an der Verteilung der bestehenden Steuerlast an: Etwaigen Mehrbelastungen für Besitzer wertvoller Grundstücke und Immobilien stehen Steuererleichterungen in gleicher Höhe bei den günstigeren Lagen gegenüber. Offenbar aber ist die bayrische Verweigerungslust stärker als die Bindungswirkung des Koalitionsvertrags. Pacta sunt servanda? Schwierig mit der CSU.

Man kann nur hoffen, dass Ministerpräsidenten und Bundesfinanzminister die Kraft finden werden, dieses fast dreißigjährige Schauspiel föderaler Insuffizienz zu beenden. Klar ist: Wer eine Reform und damit den Fortbestand der Grundsteuer riskiert, sei es durch Nichtstun oder durch aktive Blockade, wird dieses Versagen vor Wählern, Bürgern, Vereinen, Kommunalpolitikern und vielen anderen erklären müssen.

Dieser Artikel erschien erstmalig am 29.11.2016 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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In der Debatte um die transatlantischen Freihandelsabkommen hat die SPD einen sachbezogenen Weg gewählt, statt sich pauschal auf ein Ja oder Nein festzulegen. Wir sind davon überzeugt, dass die Globalisierung Regeln braucht, damit sie nicht zu einem Wettlauf der Standards nach unten führt. Ziel muss es sein, Spielregeln festzulegen, die für alle Länder gelten. Leider stockt der Prozess über eine Reform der WTO seit Jahren, aber das Pariser Klimaschutzabkommen und die Vereinbarung globaler Nachhaltigkeitsziele machen Mut. Auch bilaterale Freihandelsabkommen können Standards setzen und den Prozess positiv beeinflussen. Es ist deshalb sinnvoll, über solche Abkommen zu verhandeln. Mit der SPD wird es aber keinen Freifahrtschein für TTIP und CETA geben. Die Sozialdemokratie hat wie keine andere Partei die Gerechtigkeit als Markenkern – deshalb ist für uns die Frage zentral, wie die Globalisierung gestaltet werden kann.

Weitere Verhandlungen machen keinen Sinn

Seit den #TTIPLeaks ist schwarz auf weiß nachzulesen, dass die großen Vorbehalte, die es in der Bevölkerung seit langer Zeit gibt, begründet sind. Es sind aber nicht nur die veröffentlichten Dokumente, die uns zum Zweifeln bringen, sondern vor allem der aktuelle Stand der Verhandlungen. Wenn die US-Administration sich in zentralen Fragen wie Vorsorgegrundsatz, Lebensmittelsicherheit und Investitionsschutz nicht bewegt, ist der Zeitpunkt gekommen, an dem man ehrlich sagen muss: Nach dem derzeitigen Verhandlungsstand wird es nicht möglich sein, einen Vertragstext zu finden, der in irgendeiner Form den Ansprüchen der SPD genügt. Gleichzeitig ist es angesichts der kritischen Haltung aller US-Präsidentschafts-BewerberInnen zu TTIP sehr unwahrscheinlich, dass überhaupt ein Abkommen zustande kommt. Unter solchen Bedingungen macht es schlicht keinen Sinn, weiter zu verhandeln.

Positive Veränderungen bei CETA

In den Verhandlungen über das europäisch-kanadischen Abkommen CETA ist es der SPD dagegen gelungen, Veränderungen zu erreichen, die mit einer Verweigerungshaltung nicht zustande gekommen wären. Diese Veränderungen müssen nun ausgewertet werden. Der Vertragstext liegt mittlerweile vor und wird voraussichtlich im Juni dieses Jahres übersetzt sein. Dann ist ein sorgfältiger Abgleich mit den roten Linien notwendig, die die SPD auf dem Parteikonvent im September 2014 und auf dem Bundesparteitag im Dezember 2015 beschlossen hat. Der Parteikonvent muss im September entscheiden, ob die roten Linien eingehalten worden sind oder eben nicht. Allerdings gibt es noch zahlreiche offene Fragen. Die umstrittenen Schiedsgerichte sollen im Vertrag durch ordentliche Handelsgerichte ersetzt werden – ein wichtiger Verhandlungserfolg, der aber nichts bringt, wenn die Rechtsgrundlagen für diese Gerichte schlecht sind. Die vielen unbestimmten Rechtsbegriffe im Vertrag müssen dringend weiter präzisiert werden. Wir setzen deshalb auf weitere Verhandlungen. Glücklicherweise ist die neue kanadische Regierung fortschrittlicher als die alte. Das gibt uns die Gelegenheit, an bestimmten Stellen noch einmal neu anzusetzen.

Nicht ohne den Bundestag

CETA darf aber auf keinen Fall ohne die Beteiligung der nationalen Parlamente in Kraft treten. Der Deutsche Bundestag muss sich intensiv mit diesem Abkommen befassen. Wie bei der ersten Föderalismusreform muss es eine Anhörung im Plenum des Parlaments und zusätzlich Anhörungen in allen betroffenen Fachausschüssen geben, wenn der übersetzte Vertragstext vorliegt. Wir erleben derzeit eine der tiefsten Sinnkrisen der ‎EU. Vor diesem Hintergrund wäre es fatal, ein so weitreichendes und hoch umstrittenes Abkommen ohne die notwendige Akzeptanz in Kraft zu setzen. So kann kein Vertrauen in demokratische Prozesse entstehen. Die einzige Möglichkeit Vertrauen zurückzugewinnen, ist eine breite transparente Debatte, die wir immer wieder einfordern.