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Die Welt scheint aus den Fugen geraten. Rund 60 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Die Krisen, Konflikte und Kriege in der Welt betreffen Deutschland und Europa direkter und unmittelbarer als jemals zuvor. Spannungen und Bürgerkriege im Nahen und Mittleren Osten wirken sich direkt auf Deutschland aus. Im Osten Europas schwelt ein Konflikt, der jederzeit wieder eskalieren kann. In Afrika zwingen Bürgerkriege, Armut, Hunger und Perspektivlosigkeit auch weiterhin Menschen dazu, sich auf den Weg nach Europa zu machen. Gleichzeitig nutzen militant-islamistische Terrororganisationen die Gelegenheit, weitere Länder im arabischen Raum zu destabilisieren und bedrohen mit ihrem Terror auch unsere Gesellschaften.

SPD als Friedenspartei

Die SPD ist eine Friedenspartei. Sozialdemokratische Außen- und Sicherheitspolitik ist und bleibt für uns Friedenspolitik. Frieden und Sicherheit erreichen wir am besten durch das Aufrechterhalten des staatlichen Gewaltmonopols im Rahmen demokratischen Regierens, die Achtung der Menschenrechte, faire und offene Handelsbeziehungen sowie multilaterale Kooperation. Der Klimavertrag von Paris zeigt, dass immer mehr gemeinsame Prob-leme nur durch multilaterale Zusammenarbeit gelöst werden können.

Wir sind davon überzeugt, dass Deutschlands Rolle in der Welt keine militärische ist. Die Sicherheit aller ist auch unsere Sicherheit. Zivile Krisenprävention und Konfliktregelung haben für uns immer eindeutig Vorrang. Deutschland muss Wegmarken in der Entwicklungszusammenarbeit und in der Bekämpfung von Konflikt- und Fluchtursachen aufstellen, anstatt beim Rüstungsexport vorne zu liegen. Fairer statt freier Handel, Kooperation statt Konkurrenz und eine enge sowie verlässliche Zusammenarbeit mit unseren Partnern weltweit sind die für uns zentralen Leitlinien auswärtiger Politik Deutschlands und der EU. Gleichwohl halten wir es für wichtig zu klären, was verantwortungsvolle Außen- und Sicherheitspolitik heute bedeutet. Wie muss eine solche Politik ausgestaltet werden, um ihr Ziel – nachhaltigen Frieden – zu verwirklichen?

Langfristiger Ansatz

Wir müssen langfristig denken, um so Konfliktursachen strukturell zu bekämpfen und friedliche Perspektiven zu bieten. Zu dieser strukturellen Krisenprävention gehört zunächst die Schaffung der notwendigen institutionellen Rahmenbedingungen auf regionaler, internationaler und globaler Ebene. Inhaltlich erstreckt sich diese strukturelle Krisenprävention auf zahlreiche Politikfelder: Hierzu zählen wir Wirtschafts-, Handels- und Sozialpolitik, Klimaschutz, Wissenschaft, Rüstungskontrolle und Menschenrechtspolitik – Politikfelder also, in denen die Weichen für zukünftige Gesellschaftsordnungen gestellt werden. Mit dem 2004 von der rot-grünen Bundesregierung verabschiedeten Aktionsplan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ wurde bereits ein wichtiger Schritt in diese Richtung getan. Die Bekämpfung der Folgen des Klimawandels oder die 2030-Agenda tragen auch dazu bei, dass Fluchtursachen langfristig abgebaut werden. Denn nur wer in Frieden, Sicherheit und Wohlstand Perspektiven für sich und seine Familie hat, ist nicht zur Flucht gezwungen.

Ein solch langfristig gedachter Ansatz kann aber in konkreten Krisen- oder Kriegssituationen, bei eklatanten Menschenrechtsverletzungen oder gar vor Völkermord nicht schützen. Hier bedarf es Mittel und Wege, die darauf zielen, zunächst die Sicherheit wieder herzustellen und den Betroffenen Nothilfe und Schutz zu gewähren. Neben die strukturelle Krisenprävention tritt also die akute Konfliktbearbeitung. Die Ausgestaltung einer strukturellen Krisenprävention geschieht bereits als Politik der Kooperation und im Rahmen internationaler Institutionen. Unser Ziel ist, auch die akute Krisenprävention möglichst kooperativ zur Anwendung zu bringen. Diese zwei Kategorien können im politischen Alltag helfen, unsere Ziele und Grundsätze über konkrete Entscheidungen nicht aus dem Blick zu verlieren.

Das komplette Positionspapier gibt es hier zum Download:

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Die deutsche Politik und Öffentlichkeit streiten wieder einmal über den richtigen Umgang mit Saudi-Arabien. Die einen sehen im wahhabitischen Königshaus nach wie vor einen unverzichtbaren Partner, der zur Regelung von Regionalkonflikten und zur Stabilisierung in der Region gebraucht wird und mit dem man zudem lukrative (Rüstungs-)Geschäfte machen kann. Die anderen sehen in Riad einen gefährlichen Exporteur ultrakonservativer islamischer Ideologie, der die Menschenrechte mit Füßen tritt und maßgebliche Mitschuld an der Destabilisierung der Region trägt.

Die Herrscher in Riad wiederum fühlen sich, umringt von Kriegen und Krisenherden, existenziell bedroht. Keiner weiß, wie viele Saudis tatsächlich mit dem „Islamischen Staat“ und dessen radikaler Ideologie sympathisieren, die sich im Übrigen nur unwesentlich von der saudischen Staatsdoktrin des Wahhabismus unterscheidet. Nun rächt sich, dass das saudische Königshaus jeden Konflikt in der Region primär unter dem iranisch-saudischen Machtkampf betrachtet. Die damit verbundene Sorge, dass sich der „schiitische Halbmond“ in einen Vollmond verwandeln könnte, führt dazu, dass der Aufschwung radikaler islamistischer Gruppen in „Stellvertreterkriegen“ aller Art billigend in Kauf genommen wird.

Saudi-Arabien droht jedoch weiter in die Defensive zu geraten. Der von ihm mitfinanzierte Bürgerkrieg in Syrien ist ihm ebenso entglitten wie seine Versuche, die sunnitischen Stämme im Irak gegen den „Islamischen Staat“ zu einen. Und im Jemen hat der von den Saudis unterstütze Stellvertreterkrieg mit den Huthi-Milizen für eine humanitäre Katastrophe gesorgt, die der in Syrien in nichts nachsteht.

Der Rückzug der USA aus der Region unter Obama wird von den politischen Eliten in Saudi Arabien als Verrat empfunden. Hinzu kommt, dass die Vereinigten Staaten aufgrund der Schieferölrevolution vom Importeur zum Exporteur von Rohöl geworden sind. Der damit einhergehende aggressive Preiskrieg hat zu einem radikalen Ölpreisverfall geführt, der auch Riad zu schaffen macht. Und zu allem Überfluss drängt nach dem iranischen Atomabkommen nun auch Teheran als Ölanbieter wieder auf die Märkte. Nicht nur die deutsche Wirtschaft ist in froher Erwartung angesichts von anstehenden Milliardengeschäften mit Teheran.

Zwischen Hofieren und Liebedienerei liegt dabei ein schmaler Grat, wie der Besuch des iranischen Präsidenten Hassan Ruhani in Rom zeigte, als die italienische Regierung in vorauseilendem Gehorsam die unbekleideten römischen Statuen verhüllen ließ, um den künftigen Geschäftspartner nicht in Kalamitäten zu bringen. Dabei dürfte der eine oder andere „antike Nackte“ auch in persischen Museen zu finden sein.

Bei allen berechtigten politischen und wirtschaftlichen Interessen darf auch die Menschenrechtslage im Iran nicht verschwiegen werden, der allein 2015 über 700 Menschen hinrichten ließ. Von Saudi-Arabien wird der Iran – nicht ganz zu Unrecht – als expansive Macht und großer strategischer Gewinner des letzten Jahrzehnts empfunden. Saudi-Arabien handelt also nicht aus einer Position wirtschaftlicher und politischer Stärke, sondern aus Schwäche heraus. Dies wiederum macht das Regime am Golf noch unberechenbarer und gefährlicher.

Macht Deutschland angesichts der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien zu viele Geschäfte mit einem Unrechtsstaat? Diese Frage lässt sich nicht ohne weiteres mit einem Ja oder Nein beantworten. Im Gegensatz zu unseren Partnern Frankreich, Großbritannien und USA, die sich in Riad die Klinke in die Hand geben, ist Deutschland durchaus zurückhaltend und spart auch nicht mit Kritik. Dennoch ist es notwendig, die Politik gegenüber Riad auf den Prüfstand stellen. Wir können nicht länger die Augen davor verschließen, dass Saudi-Arabien ein schwieriger Partner ist, der maßgeblich für die weltweite Verbreitung radikal-islamischen Gedankenguts in Form mit verantwortlich ist. Das Land ist nur noch insofern ein „Stabilitätsanker“, als dass ein Zusammenbruch des saudischen Königshauses für die Region und für Europa unübersehbare Folgen hätte.

Saudi-Arabien ist ebenso Teil der Lösung wie Teil des Problems – genauso wie der Iran, Russland und die Türkei. Sie alle sind „schwierige Partner“, die man gleichwohl zur Befriedung des mörderischen Krieges in Syrien braucht. Deshalb muss man mit ihnen reden – und zwar im Sinne von kritisch auseinandersetzen und nicht nach dem Mund reden. Letzteres hat der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer auf seiner jüngsten Moskaureise eindrücklich demonstriert. Er entblödete sich nicht, sich bei Putin artig für die „noble Geste“ zu bedanken, sich nicht in die europäische Flüchtlingspolitik einmischen zu wollen, wohl wissend, dass Moskau mit seiner kriegerischen und rücksichtslosen Syrienpolitik maßgeblich mitverantwortlich für die Flüchtlingsströme aus Syrien ist.

Langfristiges Ziel des Westens muss es sein, im Nahen und Mittleren Osten demokratisch orientierte zivilgesellschaftliche Kräfte zu fördern – die selbst in Saudi-Arabien in Nischen vorhanden sind – und den Aufbau legitimer und funktionierender staatlicher Strukturen zu unterstützen. Diese Aufgabe wird voraussichtlich Jahrzehnte in Anspruch nehmen und immer wieder durch Rückschläge gekennzeichnet und bedroht sein. Doch die Alternativen des Nahen und Mittleren Ostens heißen nicht sunnitischer oder schiitischer Islam, sondern Unterdrückung oder demokratische Selbstbestimmung.

Dieser Artikel ist am 14. Februar 2016 als Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau erschienen.