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Bei unserem heutigen virtuellen Mittagstisch hatten wir Olaf Bandt zu Gast, Vorsitzender vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND). Von ihm haben wir mehr über die aktuellen Projekte vom BUND erfahren – und da gibt es ganz schön viele Schnittmengen mit der SPD.
Wir sind uns einig: Die sozial-ökologische Transformation, die Mobilitätswende, der Umstieg auf erneuerbare Energien, all das kann nur gelingen, wenn wir solidarisch sind und alle auf diesem Weg mitnehmen.

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Heute hat der Deutsche Bundestag über die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems abgestimmt. Dahinter verbirgt sich ein umfangreiches Regelungspaket, das auch das derzeit viel diskutierte Thema Autobahnprivatisierung enthält. Wir haben in den letzten Wochen gegen die ursprünglichen Pläne der Privatisierung gekämpft. Das jetzt beschlossene Regelungspaket ist unser Erfolg!

Zunächst ist zu beachten, dass der Bundestag über ein Regelungspaket entschieden hat, das im Vorfeld bereits zwischen allen Ministerpräsidenten und der Bundesregierung abgestimmt worden ist. Da die Länder in den Finanzbeziehungen Erleichterungen durch den Bund erfahren haben, haben sie im Gegenzug zugestanden, ein Stück ihrer Kompetenz im Bildungsbereich wieder an den Bund zu geben und in diesem Zusammenhang auch Bau, Planung und Verwaltung von Bundesstraßen bzw. Autobahnen dem Bund zu übertragen. Diese Verhandlung auf einer von der Verfassung nicht vorgesehenen Ebene zwischen Länderregierungen und Bundesregierung habe ich – wie schon bei den Föderalismusreformen I und II – am Dienstag dieser Woche in der Fraktion erneut kritisiert. Die Beratungen des Bundestages werden deutlich erschwert, wenn Ministerpräsidenten von CDU/CSU, SPD, Grünen und Linken vorher schon mit der Bundesregierung ein Gesamtpaket verabschieden, das dann faktisch nicht mehr „aufgeschnürt“ werden darf. Umso beachtlicher sind die Veränderungen, die nun zur Abstimmung stehen. Unabhängig davon hoffen wir aber, dass alle Parteien aus dieser Situation zukünftig lernen.

Erfolge bei Unterhaltsvorschuss und Bildungsinvestitionen

Aus sozialdemokratischer Sicht war in dem Regelungspaket von Anfang an die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses zu begrüßen. Für fast eine Million alleinerziehender Eltern und ihrer Kinder stellt es einen wichtigen Fortschritt dar, dass berufstätige Alleinerziehende, bei denen das unterhaltspflichtige Elternteil seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, eine Erweiterung des Anspruches auf staatliche Unterstützung erfahren. Die Altersgrenze wird von jetzt zwölf Jahre auf 18 Jahre angehoben und die zeitliche Befristung von maximal sechs Jahren abgeschafft. Dieses wird dazu führen, dass die Doppelbelastung von Job und Kinderbetreuung besser bewältigt werden kann.

Ein großer Erfolg der SPD ist auch das Aufbrechen des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich. Der Bund wird in die Lage versetzt, 3,5 Milliarden Euro für Bildungsinvestitionen in finanzschwachen Kommunen bereitzustellen. Ich habe 2007 gegen das Kooperationsverbot gestimmt und bin froh, dass wir mit dieser Verfassungsänderung eine Auflockerung des Verbots erreichen. Dabei will ich nicht verschweigen, dass ich natürlich – wie die SPD auch in ihrem Wahlprogramm – für die vollständige Abschaffung eintrete. Allerdings sieht man an der Reaktion des CDU-Bundestagspräsidenten Norbert Lammert, dass dieses ein höchst umstrittener Punkt ist. Er und andere Abgeordnete von CDU/CSU wollen das Paket ablehnen, weil sie den Weg in einen Zentralstaat fürchten. Dabei ist überall erkennbar, dass Bildung eine gesamtstaatliche Aufgabe ist. Überall fehlen Finanzmittel für gut ausgestattete Schulen! Diese Auseinandersetzung müssen wir auch im Bundestagswahlkampf weiter führen.

Verkehrsinfrastrukturgesellschaft als größtest Steitthema

Nun zu dem Teil des Regelungspakets, der uns die größten Probleme bereitet hat: In der Fassung, die wir in der ersten Lesung im Parlament beraten haben, haben sich die Länder in Artikel 90 des Grundgesetzes verpflichtet, u.a. die Verwaltung der Bundesautobahnen an den Bund zu übertragen. Ferner war vorgesehen, dass der Bund sich dafür einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen könne. Bereits in dieser Fassung war allerdings geregelt, dass das Eigentum des Bundes an den Autobahnen und Bundesstraßen unveräußerlich ist. Allerdings haben viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Zusammenhang befürchtet, dass private Investoren über eine Beteiligung an der Gesellschaft zumindest mittelbar eine „Privatisierung durch die Hintertür“ erreichen könnten. Die Verlautbarungen aus dem Bundesfinanzministerium und dem Bundesverkehrsministerium bestärkten diesen Verdacht. Auch Verdi und der Bundesrechnungshof kritisierten das Vorhaben auch unter Berücksichtigung der Interessen der Beschäftigten, die von einer Landesbehörde an eine Gesellschaft des Bundes wechseln müssten, scharf. Organisationen wie Change.org und campact initiierten zahlreiche Briefaktionen an die Abgeordneten.

In diesem Zusammenhang haben auch wir als Parlamentarische Linke in der SPD-Bundestagsfraktion für die Verhandlungen klare rote Linien gezogen. Nach wochenlangen Verhandlungen liegt nun eine Ergänzung des Verfassungstextes vor, der eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausdrücklich ausschließt. Den Protesten und dem Engagement der SPD-Bundestagsfraktion ist es zu verdanken, dass somit all diese Schlupflöcher in der Verfassung selbst geschlossen worden sind. Darüber hinaus werden in der Debatte sogenannte Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) problematisiert. Die Partnerschaften gibt es bereits – sie werden nicht erst durch das hier vorliegende Regelungspaket ermöglicht. Doch selbst in diesem Bereich konnte nun durch das parlamentarische Verfahren eine Verbesserung erreicht werden: Erstmalig werden in der Verfassung Öffentlich-Private Partnerschaften für ganze Streckennetze oder wesentliche Teile explizit ausgeschlossen. Damit wird im Grundgesetz selbst ein klares Zeichen gegen die Ausweitung von ÖPP gesetzt. Die SPD-Bundestagsfraktion hätte sich eine noch weitergehendere Regelung gewünscht. Dies war jedoch mit der CDU/CSU-Fraktion nicht möglich.

Es ist befremdlich, wenn diese Fortschritte aufgrund parlamentarischer Beratungen nun durch interessierte Kreise umgedreht werden und Dinge, die längst möglich waren, als neue Wege der Privatisierung dargestellt werden. Demokratie und das Ringen im parlamentarischen Verfahren bringen fast nie ein klares Ja oder Nein hervor. Wer künftig Öffentlich-Private Partnerschaften vollständig verhindern will, muss dafür eintreten, dass der Staat mehr in die Infrastruktur investiert, wie es Martin Schulz und die SPD fordern. Ein völliger Ausschluss in der Verfassung, der einer 2/3 Mehrheit im Bundestag und Bundesrat bedarf, war ebenso wie ein in der Verfassung verankerter Atomausstieg nicht realisierbar. Deshalb wünschen wir uns, dass all diejenigen, die sich in dieser Frage bislang engagiert haben, den Erfolg ihres Einsatzes, den das parlamentarische Verfahren gebracht hat, anerkennen und nun den Druck auf all die politischen Kräfte erhöhen, die die schwarze Null als Dogma gegenüber dringend notwendigen öffentlichen Investitionen priorisieren.

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Adam Smith war ein Anhänger, David Ricardo ebenso und sogar Milton Friedman konnte ihr etwas abgewinnen: Bei Ökonomen gilt die Grundsteuer bis heute als eine der gerechtesten Steuerarten. Die Vorzüge der Grundsteuer liegen auf der Hand: Sie besteuert den Grundbesitz. Dessen Nutzung ist ohne Leistungen des Gemeinwesens – also ohne Straßen, Strom- und Wasserleitungen – nicht sinnvoll möglich. Mithin ist es gerechtfertigt, diese Realsteuer zu erheben. Zudem setzt die Steuer kaum ökonomische Fehlanreize, sie ist deutlich robuster gegenüber Krisenzeiten als viele andere Steuerarten und auch ihre Sozialverträglichkeit ist gegeben, da die Steuerlast davon abhängt, wie viel das jeweilige Grundstück und die darauf errichteten Immobilien wert sind.

Bekanntlich aber ist die Grundsteuer in Deutschland auf die schiefe Bahn geraten, ihre soziale Ausgewogenheit ist inzwischen nicht mehr gegeben. Warum? Die Bemessungsgrundlagen der Steuer sind völlig veraltet – die Einheitswerte sind im Westen auf das Jahr 1964 und im Osten auf das Jahr 1935 festgesetzt und seitdem nicht angepasst worden. Grundstücks- und Immobilienpreise sind in den vergangenen Jahren jedoch dramatisch gestiegen, gerade in Ballungsräumen wie München oder Hamburg. In anderen Regionen Deutschlands, die vom Strukturwandel oder schwindenden Bevölkerungszahlen betroffen sind, sieht die Entwicklung anders aus.

Was sind die Folgen? Grundbesitzer, Hauseigentümer und Mieter zahlen heute eine Steuer, die mit den tatsächlichen Grundstücks- und Immobilienwerten des Jahres 2016 nichts zu tun hat – die einen zahlen zu viel, die anderen zu wenig. Das geradezurücken ist eine Frage der Gerechtigkeit: Ein Villenbesitzer in Hamburg-Blankenese sollte mehr Grundsteuer bezahlen müssen als Tante Erna für ihr kleines Häuschen irgendwo auf dem Land.

Der politische Handlungsdruck wird durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs akut, der die veraltete Einheitsbewertung des Grundvermögens bereits als verfassungswidrig eingestuft und die Frage an das Bundesverfassungsgericht weitergereicht hat. Sollte sich Karlsruhe dieser Auffassung anschließen und die Grundsteuer kippen – dass dies durchaus im Bereich des Möglichen liegt, zeigt das Beispiel der Erbschaftssteuer – wäre nicht nur die Politik blamiert, die es jahrzehntelang nicht geschafft hat, die Grundsteuer zu reformieren.

Vor allem würde eine solche Entscheidung die Handlungsfähigkeit der Kommunen massiv bedrohen. Denn die Einnahmen aus der Grundsteuer gehören mit derzeit rund 13 Milliarden Euro pro Jahr zu den wichtigsten Finanzquellen der Kommunen. Angesichts der anhaltenden kommunalen Unterausstattung hat die Grundsteuer gerade in klammen Städten und Gemeinden immer mehr an Bedeutung gewonnen: Beim Hebesatz wird die Schwelle von 1000 Prozent gerade von mehreren Kommunen gerissen. Unglaublich, aber wahr.

Eingedenk dieser Entwicklung hat sich die Große Koalition in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, „die Grundsteuer unter Beibehaltung des kommunalen Hebesatzrechtes für Kommunen zeitnah zu modernisieren“. Der Bundesfinanzminister legte jedoch die Hände in den Schoß. Dafür haben nun die Länder, nach jahrzehntelangen Diskussionen, endlich einen Gesetzentwurf im Bundesrat auf den Weg gebracht. Ihr Plan sieht vor, die immerhin 35 Millionen „wirtschaftlichen Einheiten“, sprich Grundstücke und Immobilien, ab 2022 (!) neu zu bewerten. Ab 2027 geht’s dann richtig los mit der neuen Grundsteuer. Von da an soll der Wert der Grundstücke regelmäßig aktualisiert werden.

Ob das Verfassungsgericht angesichts dieser Umsetzungsdauer die Geduld der Länder teilt, wird sich zeigen. Immerhin gibt es nun aber einen konsensfähigen Vorschlag, der von einer großen Mehrheit der Länder und auch von den drei kommunalen Spitzenverbänden unterstützt wird. Konsensfähig? Hamburg aus taktischen und Bayern aus prinzipiellen Gründen haben ihre Zustimmung verweigert.

Denn in Bayern möchte man Steuersenkungen zum Thema im Bundestagswahlkampf machen. Da stört schon der Ruch, dass durch eine Reform irgendjemand mehr bezahlen könnte, als vorher. Es drohe eine gewaltige Steuererhöhung oder die Mieten würden explodieren, so orakelt man in Bayern. Dabei sieht der Vorschlag der Länder gerade keine Steuererhöhungen vor. Vielmehr setzt die Reform an der Verteilung der bestehenden Steuerlast an: Etwaigen Mehrbelastungen für Besitzer wertvoller Grundstücke und Immobilien stehen Steuererleichterungen in gleicher Höhe bei den günstigeren Lagen gegenüber. Offenbar aber ist die bayrische Verweigerungslust stärker als die Bindungswirkung des Koalitionsvertrags. Pacta sunt servanda? Schwierig mit der CSU.

Man kann nur hoffen, dass Ministerpräsidenten und Bundesfinanzminister die Kraft finden werden, dieses fast dreißigjährige Schauspiel föderaler Insuffizienz zu beenden. Klar ist: Wer eine Reform und damit den Fortbestand der Grundsteuer riskiert, sei es durch Nichtstun oder durch aktive Blockade, wird dieses Versagen vor Wählern, Bürgern, Vereinen, Kommunalpolitikern und vielen anderen erklären müssen.

Dieser Artikel erschien erstmalig am 29.11.2016 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.