Die Autobahnprivatisierung ist verhindert!

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Heute hat der Deutsche Bundestag über die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems abgestimmt. Dahinter verbirgt sich ein umfangreiches Regelungspaket, das auch das derzeit viel diskutierte Thema Autobahnprivatisierung enthält. Wir haben in den letzten Wochen gegen die ursprünglichen Pläne der Privatisierung gekämpft. Das jetzt beschlossene Regelungspaket ist unser Erfolg!

Zunächst ist zu beachten, dass der Bundestag über ein Regelungspaket entschieden hat, das im Vorfeld bereits zwischen allen Ministerpräsidenten und der Bundesregierung abgestimmt worden ist. Da die Länder in den Finanzbeziehungen Erleichterungen durch den Bund erfahren haben, haben sie im Gegenzug zugestanden, ein Stück ihrer Kompetenz im Bildungsbereich wieder an den Bund zu geben und in diesem Zusammenhang auch Bau, Planung und Verwaltung von Bundesstraßen bzw. Autobahnen dem Bund zu übertragen. Diese Verhandlung auf einer von der Verfassung nicht vorgesehenen Ebene zwischen Länderregierungen und Bundesregierung habe ich – wie schon bei den Föderalismusreformen I und II – am Dienstag dieser Woche in der Fraktion erneut kritisiert. Die Beratungen des Bundestages werden deutlich erschwert, wenn Ministerpräsidenten von CDU/CSU, SPD, Grünen und Linken vorher schon mit der Bundesregierung ein Gesamtpaket verabschieden, das dann faktisch nicht mehr „aufgeschnürt“ werden darf. Umso beachtlicher sind die Veränderungen, die nun zur Abstimmung stehen. Unabhängig davon hoffen wir aber, dass alle Parteien aus dieser Situation zukünftig lernen.

Erfolge bei Unterhaltsvorschuss und Bildungsinvestitionen

Aus sozialdemokratischer Sicht war in dem Regelungspaket von Anfang an die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses zu begrüßen. Für fast eine Million alleinerziehender Eltern und ihrer Kinder stellt es einen wichtigen Fortschritt dar, dass berufstätige Alleinerziehende, bei denen das unterhaltspflichtige Elternteil seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, eine Erweiterung des Anspruches auf staatliche Unterstützung erfahren. Die Altersgrenze wird von jetzt zwölf Jahre auf 18 Jahre angehoben und die zeitliche Befristung von maximal sechs Jahren abgeschafft. Dieses wird dazu führen, dass die Doppelbelastung von Job und Kinderbetreuung besser bewältigt werden kann.

Ein großer Erfolg der SPD ist auch das Aufbrechen des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich. Der Bund wird in die Lage versetzt, 3,5 Milliarden Euro für Bildungsinvestitionen in finanzschwachen Kommunen bereitzustellen. Ich habe 2007 gegen das Kooperationsverbot gestimmt und bin froh, dass wir mit dieser Verfassungsänderung eine Auflockerung des Verbots erreichen. Dabei will ich nicht verschweigen, dass ich natürlich – wie die SPD auch in ihrem Wahlprogramm – für die vollständige Abschaffung eintrete. Allerdings sieht man an der Reaktion des CDU-Bundestagspräsidenten Norbert Lammert, dass dieses ein höchst umstrittener Punkt ist. Er und andere Abgeordnete von CDU/CSU wollen das Paket ablehnen, weil sie den Weg in einen Zentralstaat fürchten. Dabei ist überall erkennbar, dass Bildung eine gesamtstaatliche Aufgabe ist. Überall fehlen Finanzmittel für gut ausgestattete Schulen! Diese Auseinandersetzung müssen wir auch im Bundestagswahlkampf weiter führen.

Verkehrsinfrastrukturgesellschaft als größtest Steitthema

Nun zu dem Teil des Regelungspakets, der uns die größten Probleme bereitet hat: In der Fassung, die wir in der ersten Lesung im Parlament beraten haben, haben sich die Länder in Artikel 90 des Grundgesetzes verpflichtet, u.a. die Verwaltung der Bundesautobahnen an den Bund zu übertragen. Ferner war vorgesehen, dass der Bund sich dafür einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen könne. Bereits in dieser Fassung war allerdings geregelt, dass das Eigentum des Bundes an den Autobahnen und Bundesstraßen unveräußerlich ist. Allerdings haben viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Zusammenhang befürchtet, dass private Investoren über eine Beteiligung an der Gesellschaft zumindest mittelbar eine „Privatisierung durch die Hintertür“ erreichen könnten. Die Verlautbarungen aus dem Bundesfinanzministerium und dem Bundesverkehrsministerium bestärkten diesen Verdacht. Auch Verdi und der Bundesrechnungshof kritisierten das Vorhaben auch unter Berücksichtigung der Interessen der Beschäftigten, die von einer Landesbehörde an eine Gesellschaft des Bundes wechseln müssten, scharf. Organisationen wie Change.org und campact initiierten zahlreiche Briefaktionen an die Abgeordneten.

In diesem Zusammenhang haben auch wir als Parlamentarische Linke in der SPD-Bundestagsfraktion für die Verhandlungen klare rote Linien gezogen. Nach wochenlangen Verhandlungen liegt nun eine Ergänzung des Verfassungstextes vor, der eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausdrücklich ausschließt. Den Protesten und dem Engagement der SPD-Bundestagsfraktion ist es zu verdanken, dass somit all diese Schlupflöcher in der Verfassung selbst geschlossen worden sind. Darüber hinaus werden in der Debatte sogenannte Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) problematisiert. Die Partnerschaften gibt es bereits – sie werden nicht erst durch das hier vorliegende Regelungspaket ermöglicht. Doch selbst in diesem Bereich konnte nun durch das parlamentarische Verfahren eine Verbesserung erreicht werden: Erstmalig werden in der Verfassung Öffentlich-Private Partnerschaften für ganze Streckennetze oder wesentliche Teile explizit ausgeschlossen. Damit wird im Grundgesetz selbst ein klares Zeichen gegen die Ausweitung von ÖPP gesetzt. Die SPD-Bundestagsfraktion hätte sich eine noch weitergehendere Regelung gewünscht. Dies war jedoch mit der CDU/CSU-Fraktion nicht möglich.

Es ist befremdlich, wenn diese Fortschritte aufgrund parlamentarischer Beratungen nun durch interessierte Kreise umgedreht werden und Dinge, die längst möglich waren, als neue Wege der Privatisierung dargestellt werden. Demokratie und das Ringen im parlamentarischen Verfahren bringen fast nie ein klares Ja oder Nein hervor. Wer künftig Öffentlich-Private Partnerschaften vollständig verhindern will, muss dafür eintreten, dass der Staat mehr in die Infrastruktur investiert, wie es Martin Schulz und die SPD fordern. Ein völliger Ausschluss in der Verfassung, der einer 2/3 Mehrheit im Bundestag und Bundesrat bedarf, war ebenso wie ein in der Verfassung verankerter Atomausstieg nicht realisierbar. Deshalb wünschen wir uns, dass all diejenigen, die sich in dieser Frage bislang engagiert haben, den Erfolg ihres Einsatzes, den das parlamentarische Verfahren gebracht hat, anerkennen und nun den Druck auf all die politischen Kräfte erhöhen, die die schwarze Null als Dogma gegenüber dringend notwendigen öffentlichen Investitionen priorisieren.