Gegen die autoritäre Internationale

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Es sind goldene Zeiten für Apokalyptiker. Wenn vor einem Jahr jemand prophezeit hätte, dass Großbritannien aus der EU austreten, Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten und die Türkei sich auf dem Weg in ein autoritäres, antidemokratisches Regime befinden werden, er wäre zweifelsohne für verrückt erklärt worden.

Ein Egomane und Populist, Lügner und Steuerbetrüger ist nun – zumindest pro forma – der mächtigste Mann der Welt. In Moskau dürfte Krimsekt geflossen sein. Der Triumph des bekennenden Putin-Verehrers Trump ist aus diesem Blickwinkel auch ein Sieg des Kreml und der „autoritären Internationalen“. Mit Trump könnten nun aber auch endlich die Träume der linken und rechten Populisten in Deutschland wahr werden: das Ende der Nato, des Freihandels und die Rückkehr zur nationalen Kirchturmpolitik. In diesen Punkten sind sich Donald Trump, die Alternative für Deutschland (AfD) und Teile der Linken erstaunlich einig. Man kann nur hoffen, dass die im Kongress noch verbliebenen „vernünftigen“ Republikaner in der Lage sein werden, die schlimmsten Auswüchse zu verhindern. Zudem gibt es erste Anzeichen, dass auch Donald Trump zwischen Wahlkampfgetöse und Realpolitik zu unter-scheiden weiß.

Viel ist mittlerweile die Rede vom „postfaktischen Zeitalter“, in dem nicht mehr Fakten oder empirisch überprüfbare „Wahrheiten“ zählen, sondern Hass und Lügen, die sich in den sozialen Netzwerken und im Internet ihre eigenen Realitäten erschaffen. Dort wird mit dem „gesunden Menschenverstand“ gegen Minderheiten, Flüchtlinge, Ausländer, die „Lügenpresse“, Eliten und „korrupte Politiker“ gegeifert. „Postfaktisch“ ist ein zwar treffender Begriff für dieses Phänomen, zugleich aber auch euphemistisch und verharmlosend, handelt es sich konkret doch zumeist ganz schlicht um Falschmeldungen, Lügen und Propaganda.

Panik hilf nicht

Man sollte aber auch die Kirche im Dorf lassen. All diejenigen, die bereits ein neues faschistisches Zeitalter anbrechen sehen oder gar (mit klammheimlicher Freude) das Ende des „Westens“ ausrufen, schüren Hysterie und betreiben damit das Geschäft der Populisten. Hier feiert die deutsche Sehnsucht nach der Apokalypse fröhliche Urstände.

Panik hilft jedoch nicht weiter. Es ist Aufgabe der (Außen-)Politik, mit Ruhe und kühlem Kopf die zweifelsohne neue und schwierige Lage zu akzeptieren, zu analysieren und das Beste daraus zu machen. Wasserstandsmeldungen über persönliche Befindlichkeiten sind das Gegenteil davon. So prognostizierte Joschka Fischer bereits ein Jalta 2.0 und die Verteidigungsministerin teilte nach der Wahl in den Vereinigten Staaten der interessierten Öffentlichkeit mit, dass sie „geschockt“ sei. Auch die prompt einsetzende Selbstkritik der politischen Klasse, man habe zu wenig auf die Stimmen der Vergessenen und Abgehängten gehört, entspricht nicht der Realität.

Die SPD hat hier mit dem Mindestlohn, der Mietpreisbremse, der Reform der Alterssicherung, dem Gesetz zur Lohngerechtigkeit von Frauen und Männern und der Begrenzung der Leiharbeit ganz konkrete Verbesserungen erreicht. Es ist auch nicht wahr, dass Politik und Gesellschaft die besorgten Bürger vergessen haben. Im Gegenteil: Seit den ersten Pegida-Märschen und den Wahlerfolgen der AfD kennt die Nation scheinbar kaum ein anderes Thema. Nicht nur die sozialen Medien, die gesamten öffentlichen Debatten und Talkshows wurden von AfD-Politikern und „Wutbürgern“ geradezu „gekapert“. Hier ist auch eine Debatte über die Rolle der Medien längst überfällig.

Die Herausforderung annehmen

Der Populismus ist auf dem Vormarsch und die Wahl Donald Trumps hat im globalen Kampf zwischen den liberalen und den autoritären Kräften ersteren zweifelsohne geschadet. In die Achse der autoritären Populisten könnten sich demnächst auch die Niederlande und Frankreich einreihen. Doch auch dies wäre nicht das Ende des Westens, der EU und der Demokratie. Aber es wird Zeit, dass die liberalen Kräfte die autoritäre Herausforderung annehmen.

Dazu reicht es nicht, Angela Merkel als „letzte Verteidigerin des freien Westens“ auszurufen. Vielmehr müssen die liberalen Demokratien noch enger zusammenarbeiten. Nur dann kann Europa seine Krise überwinden, sich auf seine Stärke besinnen und mehr Verantwortung übernehmen. Zumal wir registrieren müssen, dass wir uns in einer Zeit befinden, in der das, was der Historiker Heinrich August Winkler das „normative Projekt des Westens“ nennt (Gewaltenteilung, unveräußerliche Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, repräsentative Demokratie und Minderheitenrechte) verteidigt werden muss. Und zwar nicht nur abstrakt, sondern sehr konkret, vor Ort, vor allem in der Auseinandersetzung mit denen, die diese Werte infrage stellen oder bedrohen.

Diese Art von „besorgten Bürgern“ nimmt man am besten dadurch „ernst“, dass man ihnen entschlossen entgegentritt. Es gibt keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen. Die Populisten mögen auf dem Vormarsch sein, aber sie werden nicht liefern können und damit ihre Anhänger geradezu zwangsläufig enttäuschen. Dies wird sich auch in den USA bestätigen und scheint auch dem künftigen Präsidenten allmählich zu dämmern, der nun seine postfaktischen Wahlversprechungen in praktische Politik wird umsetzen müssen. Auch mit Trump und vor allem nach Trump und – kaum zu glauben – selbst ohne Angela Merkel hat das Projekt des „Westens“, haben die USA und Europa eine gemeinsame Zukunft.

Dieser Beitrag erschien am 9. Dezember 2017 in der Frankfurter Rundschau.