Langzeiterwerbslosigkeit ist kein individuelles Problem

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In den vergangenen Jahren wurde Langzeiterwerbslosigkeit zu sehr als reines arbeitsmarktpolitisches Problem behandelt. Den über 1 Million Langzeiterwerbslosen und ihren Biografien wird das nicht gerecht. Auf ihrer Konferenz am 19. März 2015 plädierte die Parlamentarische Linke dafür, das Thema im sozialpolitischen Zusammenhang zu betrachten. Langzeiterwerbslosigkeit ist kein individuelles Problem der Betroffenen, sondern eine strukturelle Folge verfehlter Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der vergangen Jahre und Jahrzehnte. Diese These konnte auch Prof. Sigrid Betzelt von der HWR Berlin in ihrem aufschlussreichen Vortrag zu Beginn der Konferenz bestätigen.

In einer Gesprächsrunde mit der Sprecherin der Landesgruppe Ost, Daniela Kolbe, haben Martin Künkler von der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen und Sylvia Weiß vom Erwerbslosenzentrum Leipzig eindrücklich auch von ihren eigenen Erfahrungen in der Erwerbslosigkeit berichtet. Viele der bisherigen Programme und Instrumente der Arbeitsmarktpolitik waren aus ihrer Sicht unwürdig und stigmatisierend. Künkler und Weiß haben den Zuhörer_innen deutlich gemacht, was es für die eigene Persönlichkeit bedeutet in einer Gesellschaft wie Deutschland langzeiterwerbslos zu sein. Vor allem vor diesem Hintergrund ist es eine sozialdemokratische Pflicht, den Menschen mit konkreten Maßnahmen zu helfen, sie in würdevolle Arbeit zu bringen und somit Perspektiven zu geben. Durch nicht-stigmatisierende Beschäftigung können sie die verdiente Wertschätzung erfahren und die Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wiedererlangen.

Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles betonte auf der Konferenz, dass die Gruppe der Langzeiterwerbslosen differenziert betrachtet werden muss. Es braucht unterschiedliche Lösungsansätze entsprechend unterschiedlicher Betroffenengruppen. Das BMAS zeigt mit dem Konzept „Chancen eröffnen – soziale Teilhabe sichern“ einige Instrumente auf und konnte bereits Erfolge verzeichnen. Eine Maßnahme, die mittlerweile auch parteiübergreifend gefordert wird, ist der sogenannte Passiv-Aktiv-Tausch (PAT). Nach dem Prinzip der Finanzierung von Arbeit statt von Arbeitslosigkeit wird hier Geld, das sowieso ausgegeben wird, zum Beispiel für das Arbeitslosengeld II, in einen Lohnkostenzuschuss umgewandelt. In Baden-Württemberg gibt es den PAT bereits. Die dortige SPD-Generalsekretärin und Sprecherin für Arbeit und Soziales der Bundestagsfraktion, Katja Mast, erklärte den zahlreichen Gästen der PL wie er wirkt und zu den sinkenden Arbeitslosenzahlen des Landes beiträgt.

Die Forderungen nach einem bundesweiten PAT-Programm musste Andrea Nahles allerdings enttäuschen. Im Gegensatz zu den Maßnahmen aus dem Konzept des Ministeriums, könnte dieses nicht aus dem Haushalt des BMAS finanziert werden. Finanzminister Schäuble müsste weitere Mittel zur Verfügung stellen und obwohl auch Unionspolitiker_innen den PAT unterstützen, scheint die Bekämpfung von Langzeiterwerbslosigkeit nicht auf der Prioritätenliste der Union zu stehen.

In der hochkarätig besetzten Abschlussdiskussion mit PL-Sprecher Dr. Carsten Sieling, Daniela Kolbe, Wilhelm Adamy vom DGB und dem Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, bekam die PL Unterstützung für ihre Forderung nach einer Vermögenssteuer, um in Zukunft mehr Geld in effektive arbeitsmarktpolitische Instrumente wie z.B. den PAT stecken zu können. Adamy nannte es einen Geburtsfehler der Koalition, dass Steuererhöhungen kategorisch ausgeschlossen wurden. Am Ende herrschte Uneinigkeit bei der Frage der Nähe eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors zum ersten Arbeitsmarkt. Dass es einen sozialen Arbeitsmarkt geben muss, darüber waren sich jedoch alle einig. Die PL wird die offenen Punkte in Zukunft weiter diskutieren. Das PL-Positionspapier „Arbeit öffentlich fördern, Chancen verbessern!“ bildet für diese weitere Diskussion die Grundlage.