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Nach dem SPD-Parteikonvent in Wolfsburg lauten viele Überschriften in den Medien: „SPD stimmt CETA zu“. Wir haben uns als PL seit vielen Monaten intensiv mit dem Abkommen beschäftigt und uns an vielen Stellen in die Debatte eingemischt. Deshalb möchten wir an dieser Stelle offene Fragen zum Konventsbeschluss der SPD beantworten.

Die SPD hat auf ihrem Konvent nicht für CETA gestimmt, wie viele schreiben. Sie hat einen Antrag verabschiedet, der unsere Anforderungen an das Abkommen und den nun vor uns liegenden Prozess beschreibt. Wir haben ganz klare Bedingungen beschlossen, die am Ende Maßstab für jeden SPD-Abgeordneten sind. Wenn unsere Forderungen nicht erfüllt sind, kann die SPD CETA nicht zustimmen:

  • Im Bereich des Investorenschutzes muss mit Blick auf Rechtstatbestände wie „faire und gerechte Behandlung“ und „indirekte Enteignung“ sichergestellt werden, dass keine Bevorzugung von ausländischen gegenüber inländischen Investoren oder Bürgerinnen und Bürgern stattfindet. Investorenschutz sollte somit auf die Diskriminierung gegenüber inländischen Investoren beschränkt werden.
  • Unter Bezugnahme auf das Cartagena-Protokoll und die Rechtsposition der EU im WTO-Verfahren über Hormonfleisch zwischen der EU und Nordamerika muss unmissverständlich und rechtsverbindlich erklärt werden, dass die EU im Rahmen des CETA-Abkommens in keiner Weise vom primärrechtlich verankerten Vorsorgeprinzip (Art. 191 AEUV) abweicht.
  • Im Rahmen des Beratungsprozesses ist ein Sanktionsmechanismus bei Verstößen der Partner gegen Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards zu entwickeln. Die acht ILO-Kernarbeitsnormen müssen ratifiziert werden. Der soziale Dialog ist effektiv auszugestalten, sodass das Verfahren zur Durchsetzung von Standards wirkungsvoll genug ist und durch Sanktionsmöglichkeiten ergänzt wird.
  • Es muss sich aus dem CETA-Vertrag unmissverständlich ergeben, dass bestehende und künftig entstehende Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht vom Vertrag erfasst werden.

Im Konventsbeschluss wird außerdem ein Weg beschrieben, wie wir Verbesserungen am Vertrag über das parlamentarische Verfahren erreichen wollen: Es muss einen breiten Anhörungsprozess des Europäischen Parlaments mit der Zivilgesellschaft und den nationalen Parlamenten geben, der Lösungsansätze für alle umstrittenen Fragen entwickelt, bevor das Europäische Parlament über den Vertrag abstimmt und Teile des Abkommens vorläufig angewendet werden. In diesem Zusammenhang wird es intensive Auseinandersetzungen um die Fragen geben, welche Bereiche des Abkommens in die alleinige Zuständigkeit der EU fallen und damit vorläufig angewendet werden können. Die SPD legt sich im Beschluss fest: Unter anderem das hoch umstrittene Kapitel zum Investorenschutz fällt in nationale Zuständigkeit. Dieser Bereich kann also nur dann angewendet werden, wenn auch das letzte nationale Parlament der Europäischen Union zugestimmt hat.

Jetzt müssen wir beweisen, dass Europa in der Lage ist, neue Wege der Demokratie und Transparenz zu gehen. Wir hoffen sehr, dass wir für diesen Weg viele Mitstreiter in den anderen EU-Mitgliedstaaten finden können. Bereits gestern hat Sigmar Gabriel mit der Kanadischen Handelsministerin gestern noch Änderungen im Hinblick auf die Arbeitnehmerrechte für den Ministerrat angekündigt, die den DGB-Vorsitzenden Rainer Hoffmann dazu veranlasst haben, auf dem Konvent für die Zustimmung zum nun beschlossenen Antrag zu werben.

Beschluss des SPD-Parteikonvents zum Download:

 

 

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Die SPD hat stets auf Verhandlungen gesetzt, ohne pauschal Ja oder Nein zu dem Vertrag zu sagen. Sozialdemokraten haben wichtige Änderungen erreicht. Allerdings konnten die grundsätzlichen Probleme nicht beseitigt werden – es wurden lediglich so genannte Klarstellungen eingezogen, die letztlich zu weiterer Rechtsunsicherheit führen und nicht die Qualität erreichen, die für einen fairen Handel nötig ist. In zentralen Bereichen wie Investitionsschutz, öffentlicher Daseinsvorsorge und Verbraucherschutz sind die von der SPD gezogenen roten Linien klar überschritten worden.

Auch der deutsche und der kanadische Gewerkschaftsbund haben dazu aufgerufen, CETA in derzeitigen Form abzulehnen und darauf hinzuwirken, die Verhandlungen zwischen Kanada und der EU wieder aufzunehmen. Wir müssen CETA zu einem fairen Handelsabkommen machen! Der Weg zu einem guten Abkommen könnte nun über die Parlamente gehen: Durch eine entsprechende Beschlussfassung im Ministerrat muss das Europäische Parlament in die Lage versetzt werden, das Verfahren an sich zu ziehen. Mindestvoraussetzung dafür ist allerdings, dass kein Teil des CETA-Vertrages vorläufig in Kraft tritt.

Seit die offizielle deutsche Übersetzung des europäisch-kanadischen Freihandelsabkommens CETA vorliegt, hat PL-Sprecher Matthias Miersch sich intensiv mit dem Vertragstext beschäftigt. Denn jeder unbestimmte Rechtsbegriff wird künftig hoch umstritten sein. Deshalb muss auch CETA vor dem Hintergrund bewertet werden, dass Interessensgruppen alles versuchen werden, um sich ihre Vorteile zu sichern. Die vollständige Bewertung von Matthias Miersch finden Sie hier:

 

 

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In der Debatte um die transatlantischen Freihandelsabkommen hat die SPD einen sachbezogenen Weg gewählt, statt sich pauschal auf ein Ja oder Nein festzulegen. Wir sind davon überzeugt, dass die Globalisierung Regeln braucht, damit sie nicht zu einem Wettlauf der Standards nach unten führt. Ziel muss es sein, Spielregeln festzulegen, die für alle Länder gelten. Leider stockt der Prozess über eine Reform der WTO seit Jahren, aber das Pariser Klimaschutzabkommen und die Vereinbarung globaler Nachhaltigkeitsziele machen Mut. Auch bilaterale Freihandelsabkommen können Standards setzen und den Prozess positiv beeinflussen. Es ist deshalb sinnvoll, über solche Abkommen zu verhandeln. Mit der SPD wird es aber keinen Freifahrtschein für TTIP und CETA geben. Die Sozialdemokratie hat wie keine andere Partei die Gerechtigkeit als Markenkern – deshalb ist für uns die Frage zentral, wie die Globalisierung gestaltet werden kann.

Weitere Verhandlungen machen keinen Sinn

Seit den #TTIPLeaks ist schwarz auf weiß nachzulesen, dass die großen Vorbehalte, die es in der Bevölkerung seit langer Zeit gibt, begründet sind. Es sind aber nicht nur die veröffentlichten Dokumente, die uns zum Zweifeln bringen, sondern vor allem der aktuelle Stand der Verhandlungen. Wenn die US-Administration sich in zentralen Fragen wie Vorsorgegrundsatz, Lebensmittelsicherheit und Investitionsschutz nicht bewegt, ist der Zeitpunkt gekommen, an dem man ehrlich sagen muss: Nach dem derzeitigen Verhandlungsstand wird es nicht möglich sein, einen Vertragstext zu finden, der in irgendeiner Form den Ansprüchen der SPD genügt. Gleichzeitig ist es angesichts der kritischen Haltung aller US-Präsidentschafts-BewerberInnen zu TTIP sehr unwahrscheinlich, dass überhaupt ein Abkommen zustande kommt. Unter solchen Bedingungen macht es schlicht keinen Sinn, weiter zu verhandeln.

Positive Veränderungen bei CETA

In den Verhandlungen über das europäisch-kanadischen Abkommen CETA ist es der SPD dagegen gelungen, Veränderungen zu erreichen, die mit einer Verweigerungshaltung nicht zustande gekommen wären. Diese Veränderungen müssen nun ausgewertet werden. Der Vertragstext liegt mittlerweile vor und wird voraussichtlich im Juni dieses Jahres übersetzt sein. Dann ist ein sorgfältiger Abgleich mit den roten Linien notwendig, die die SPD auf dem Parteikonvent im September 2014 und auf dem Bundesparteitag im Dezember 2015 beschlossen hat. Der Parteikonvent muss im September entscheiden, ob die roten Linien eingehalten worden sind oder eben nicht. Allerdings gibt es noch zahlreiche offene Fragen. Die umstrittenen Schiedsgerichte sollen im Vertrag durch ordentliche Handelsgerichte ersetzt werden – ein wichtiger Verhandlungserfolg, der aber nichts bringt, wenn die Rechtsgrundlagen für diese Gerichte schlecht sind. Die vielen unbestimmten Rechtsbegriffe im Vertrag müssen dringend weiter präzisiert werden. Wir setzen deshalb auf weitere Verhandlungen. Glücklicherweise ist die neue kanadische Regierung fortschrittlicher als die alte. Das gibt uns die Gelegenheit, an bestimmten Stellen noch einmal neu anzusetzen.

Nicht ohne den Bundestag

CETA darf aber auf keinen Fall ohne die Beteiligung der nationalen Parlamente in Kraft treten. Der Deutsche Bundestag muss sich intensiv mit diesem Abkommen befassen. Wie bei der ersten Föderalismusreform muss es eine Anhörung im Plenum des Parlaments und zusätzlich Anhörungen in allen betroffenen Fachausschüssen geben, wenn der übersetzte Vertragstext vorliegt. Wir erleben derzeit eine der tiefsten Sinnkrisen der ‎EU. Vor diesem Hintergrund wäre es fatal, ein so weitreichendes und hoch umstrittenes Abkommen ohne die notwendige Akzeptanz in Kraft zu setzen. So kann kein Vertrauen in demokratische Prozesse entstehen. Die einzige Möglichkeit Vertrauen zurückzugewinnen, ist eine breite transparente Debatte, die wir immer wieder einfordern.

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In der Debatte um die transatlantischen Freihandelsabkommen hat die SPD einen sachbezogenen Weg gewählt, statt es sich mit der Forderung, die Verhandlungen zu stoppen oder die Abkommen kritiklos durchzuwinken, leicht zu machen. Bernd Lange und Sigmar Gabriel haben in den Verhandlungen um das europäisch-kanadische Abkommen CETA Veränderungen erreicht, die mit einer Verweigerungshaltung nicht zustande gekommen wären. Diese Veränderungen müssen nun ausgewertet werden. Die roten Linien, die die SPD auf ihrem Konvent 2014 beschlossen und auf dem Bundesparteitag im Dezember 2015 bekräftigt hat, müssen wir sorgfältig mit dem übersetzten Vertragstext abgleichen. Es gilt jetzt, Transparenz und ausführliche Beratungen zu gewährleisten:

  1. Der Deutsche Bundestag muss sich intensiv mit CETA befassen. Wie bei der ersten Föderalismuskommission muss es eine Anhörung im Plenum des Parlaments und zusätzlich Anhörungen in allen betroffenen Fachausschüssen geben, wenn der übersetzte Vertragstext vorliegt. Die SPD-Fraktion praktiziert diesen Ansatz bereits seit Beginn des Verhandlungsprozesses mit einer fachübergreifenden Arbeitsgruppe – diesen Weg müssen wir konsequent weiter gehen.
  2. CETA darf nicht ohne Beteiligung der nationalen Parlamente in Kraft treten – auch nicht in Teilen. Eine getrennte Inkraftsetzung bestimmter Teile des umfangreichen und in seiner Wirkungsdimension beispiellosen Vertrags weist zahlreiche rechtliche Probleme auf. Wir erleben derzeit eine der tiefsten Sinnkrisen der ‎EU.‬ Vor diesem Hintergrund wäre es fatal, ein so weitreichendes und hoch umstrittenes Abkommen ohne die notwendige Akzeptanz in Kraft zu setzen. So kann kein Vertrauen in demokratische Prozesse entstehen.
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Es war das Jahr 1991. Die internationale Staatengemeinschaft beschränkte – in einem eher im Verborgenen ausgehandelten Abkommen – das Urrecht eines Landwirts, einen Teil seiner Ernte für den Wiederanbau in seinem eigenen Betrieb zu verwenden (Nachbau). Seitdem die Europäische Union und die Bundesrepublik Deutschland aufgrund dieses Abkommens Rechtsgrundlagen verändert haben, tobt in Deutschland eine erbitterte rechtliche Auseinandersetzung zwischen Landwirten und Pflanzenzüchtern. Noch länger wird die Auseinandersetzung über die Patenterteilungspraxis des Europäischen Patentamtes geführt, das aufgrund von internationalen Abkommen zunehmend die Patentierung von Pflanzen und Tieren zulässt. Hoch problematisch ist dabei, dass dieses Patentamt kein „Amt“ im eigentlichen Sinn ist. So finanziert es sich u.a. aus den Gebühren der erteilten Patente. Es gibt kein unabhängiges gerichtliches Korrektiv, da die Erteilungspraxis über die Europäische Union hinausgeht. Obwohl die gerade angesprochenen Abkommen elementare Fragen der Ernährung betreffen, wird die politische und rechtliche Diskussion eher in Fachkreisen geführt. Stets sind die Grundlagen auf internationaler Ebene verhandelt und entschieden worden.

Dank einer breiten Bewegung für einen fairen Welthandel ist die Lage nun in der Debatte um die transatlantischen Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) sowie der EU und den USA (TTIP) anders. Während die TTIP-Verhandlungen noch laufen, liegen beim CETA-Abkommen bereits Verhandlungsergebnisse vor. Es ist ein wichtiger Erfolg, dass auch dieses Abkommen mittlerweile im Fokus der Öffentlichkeit steht. Der Diskurs über rund 1600 Seiten Vertragstext ist nicht leicht zu führen. Häufig geht es um die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe. Und dennoch ist die gesellschaftspolitische Debatte dringend notwendig. Wenn die deutsche Übersetzung vorliegt, haben vor allem diejenigen eine Beweislast, die für entsprechende Abkommen werben. Mit dem Beschluss des SPD-Konvents im Herbst 2014 ist es gelungen, rote Linien zu Gunsten eines fairen Handelsabkommens zu ziehen.

Der Bundesparteitag der SPD hat Mitte Dezember diesen Kurs in der Handelspolitik bekräftigt. Dabei geht es nicht um eine Debatte gegen die Wirtschaft oder um die Rückkehr zum nationalstaatlichen Denken. Es geht um die zentrale Frage, ob gesetzliche Regelungen zugunsten von Verbraucher-, Arbeitnehmer- und Umweltschutz als potentielle Investitionshemmnisse angesehen werden. Im Fokus der öffentlichen Debatte steht dabei häufig die Diskussion über die privaten Schiedsgerichte. Notwendig ist jedoch eine tiefer gehende Auseinandersetzung. Auch öffentlich ernannte Richter werden nicht Urteile im Sinne der Allgemeinheit fällen können, wenn die Rechtsgrundlagen unzureichend sind. Deshalb ist es wichtig, dass der SPD-Bundesparteitag nun die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und die Bundesregierung aufgefordert hat, mit der neuen kanadischen Regierung das Gespräch zu suchen, um nicht nur über das Schiedsgerichtswesen zu reden.

Die kanadische Regierung weiß aus eigener Erfahrung mit dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA) nur zu gut, wohin Investor-Staats-Vorschriften führen können. Kanada liegt an der Spitze der am meisten verklagten Industrieländer. So strengte ein US-Chemiekonzern eine Millionenklage auf entgangenen Gewinn gegen das Verbot des Imports eines Brennstoffs an, der als gesundheitsgefährdend eingestuft wurde. Ein kanadisches Energieunternehmen verklagt die kanadische Regierung über ihren amerikanischen Partner auf Schadensersatz, weil die Provinz Quebec ein vorläufiges Fracking Moratorium verhängte. Es ist bezeichnend, dass die Kanadier im CETA-Abkommen offenkundig den Investorenschutz einschränken wollten und es die EU-Kommission gewesen ist, die auf weitreichende Bestimmungen bestand. Kommt es nun zu neuerlichen Gesprächen, sollte vor allem die Bundesregierung der EU-Kommission ihre Erfahrungen mitteilen, die sie gerade vor dem Washingtoner Schiedsgericht mit der Firma Vattenfall sammelt. Auch hier ist es wieder die Berufung auf unbestimmte Rechtsbegriffe, mit Hilfe derer Vattenfall ihre Milliardenforderung gegen den Deutschen Staat aufgrund des demokratisch beschlossenen Atomausstieges geltend macht.

Unbestritten ist, dass Unternehmen Vertrauensschutz genießen, wenn sie aufgrund bestehender Regelungen investieren. Es ist auch richtig, Erfindungen mit Rechten des geistigen Eigentums zu schützen. Genauso wichtig ist jedoch, auch im Sinne künftiger Generationen eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen. Einem maximalen Gewinninteresse müssen demokratisch legitimierte Grenzen gegenüber stehen. Mag die Einführung des Mindestlohns für einige Unternehmen eine höhere Belastung darstellen, so ist sie gleichzeitig eine legitime Rahmensetzung von Würde durch den Gesetzgeber. Auch der europarechtlich fest verankerte Vorsorgegrundsatz ist essentiell. Anders als in Kanada und in den USA muss der Gesetzgeber hier nicht beweisen, dass eine Sache gefährlich ist, um sie zu verbieten. Er hat einen Einschätzungsspielraum. Diese Sichtweise ist seit Jahrzehnten international hoch umstritten. Wenn nun der CETA-Vertragsentwurf eine Passage enthält, wonach zum Beispiel im Rahmen der grünen Gentechnik angestrebt werde, künftig wissenschaftsbasierte Zulassungssysteme zu etablieren, so wird an diesem Vorsorgegrundsatz gerüttelt.

Das gleiche gilt für die Liberalisierung des Dienstleistungssektors: Mit ihrem Beschluss hat die SPD sich erneut klar für das Prinzip der Daseinsvorsorge und gegen die Möglichkeit ausgesprochen, ganze öffentliche Wirtschaftssektoren zu privatisieren.

Der Beschluss des SPD-Bundesparteitags richtet an die Verantwortlichen einen klaren Appell: Die Chancen für eine breite gesellschaftliche Debatte über eine gerechtere und fortschrittlichere Handelspolitik, die vor allem die Zukunft der Menschen im Blick hat, war nie größer als jetzt. Zudem gibt es Rückenwind. In Paris verabschiedeten die Staaten der Welt vor wenigen Tagen erstmals ein globales Klimaschutzabkommen, das gravierende Folgen für die Ausrichtung ganzer Wirtschaftszweige haben wird.

Dieser Artikel erschien am 04.01.2016 als Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau.

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In ihrer Ausarbeitung Handel braucht Wandel setzt sich PL-Mitglied Nina Scheer mit Rahmenbedingungen für internationalen Handel unter Bezugnahme auf die UN-Ziele nachhaltiger Entwicklung auseinander und leitet daraus Anforderungen auch für die Freihandelsabkommen CETA und TTIP ab. Hierbei geht sie in Orientierung am Demokratieprinzip insbesondere auf die mit den Abkommen vorgesehenen Vereinbarungen zu Schiedsgerichtsbarkeit, Investitionsschutz und sog. regulatorischer Kooperation ein. Zudem setzt sie sich grundlegend mit zukünftigen Markteintrittsvoraussetzungen auseinander. „Handel zwischen Regionen und Wirtschaftsräumen erfordert Rahmenbedingungen, die regionale und kulturelle Alleinstellungsmerkmale honorieren, statt sie über angleichende Regulatorische Kooperation zu nivellieren“, so Scheer.

Die Publikation steht zum kostenlosen Download zur Verfügung:

 

 

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Am 02. Oktober 2015 hatte die Parlamentarische Linke zu einer Fachkonferenz mit dem Titel „Globalen Handel gestalten – TTIP & Ceta verändern“ eingeladen. Wichtige Impulse lieferten die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin, David Hachfeld von OXFAM, der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen sowie Bernd Lange MdEP, Vorsitzender des Handelsausschuss des Europäischen Parlaments. Gemeinsam mit Vertreterinnen des DGB, ver.di, BUND, Greenpeace, Foodwatch, Powershift, CAMPACT, Germanwatch und OXFAM sowie der EU-Kommission und des Bundeswirtschaftsministeriums wurde über die Kritik am vorliegenden Ceta-Entwurf sowie Perspektiven einer fortschrittlichen Welthandelspolitik diskutiert. Moderiert und unterstützt wurde die Konferenz von der Gruppe7 Organisationsberatung e.G.

Bernd Lange MdEP und David Hachfeld von OXFAM ergänzten einander mit dem Plädoyer für einen nachhaltigen Ansatz als Kern der internationalen Handelspolitik. Wie soll das Regelwerk von Wirtschaftsräumen zukünftig gestalten werden? Sollen private Interessen oder öffentliche Regulierung ausschlaggebend sein? Die Stoßrichtung war klar: Freier Handel sollte eine dienende Funktion für die Gesellschaft erfüllen und nicht dem Interesse der Einzelunternehmer nach gestaltet werden. Nicht nur die Harmonisierung oder der Abbau von so genannten Handelshemmnissen, sondern auch die Ausweitung der progressiven Dimensionen der Handelspolitik müssen politisch durchgesetzt werden.

Die widerstreitenden Ansätze betreffen die normalerweise eher verborgen wirkende Fachpolitik der Handelspolitik einerseits und der globalen Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele andererseits. Durch TTIP und CETA gibt es plötzlich eine neue Öffentlichkeit für diese Politikfelder. Herta Däubler-Gmelin plädierte für einen Vorrang des demokratischen Verfahrens. Der ideologische Vorrang der Privatisierung ziehe sich wie ein roter Faden durch alle gegenwärtigen Freihandelsabkommen. Den Ansatz, die Abkommen in geheimen Exekutivausschüssen weiterzuentwickeln, kritisierte daneben auch der Vertreter von Foodwatch, Martin Rücker. So geht es in der ganzen Diskussion nicht nur um die Offenlegung der Verhandlungsdokumente oder die Transparenz der zukünftigen Regulierung, sondern vornehmlich um die Herstellung von demokratischer Öffentlichkeit.

Maritta Strasser von CAMPACT zog eine Zwischenbilanz nach mehr als zwei Jahren Kampagne gegen die aktuelle internationale Handelspolitik. Es sei eine sehr breite, internationale Bewegung entstanden, die die gesamte Breite der mit den Handelsabkommen verbundenen Risiken abdeckt. Dennoch gingen hier nicht Einzelinteressen getrennt voneinander auf die Straße, sondern man beziehe sich solidarisch aufeinander. Die Kraft dieser Bewegung wachse bis heute weiter.

Während der Konferenz wurde aber deutlich, dass die Probleme noch viel weiter reichen, als die öffentliche Diskussion es derzeit spiegelt: Der Investorenschutz erstreckt sich in CETA erstmals auch auf Finanzdienstleistungen und Portfolioinvestitionen. Der Berliner Finanzsenator, Matthias Kollatz-Ahnen machte klar, dass die Ausdehnung des Geltungsbereichs des Investitionsschutzes über Direktinvestitionen (FDI) hinaus kritisch zu sehen ist. Zudem seien alle Rechtsbegriffe bislang unscharf definiert, was mangels offizieller Gerichtsbarkeit Investoren tendenziell begünstige. Die Portfolioinvestitionen haben aber auch eine wichtige verfahrenstechnische Implikation: TTIP würde u.a. deswegen zu einem gemischten Abkommen, das der Zustimmung der Parlamente der Mitgliedstaaten bedürfte, da die Portfolioinvestition nationale Zuständigkeit sei und nicht EU-Kompetenz. Die jüngsten Vorschläge der Europäischen Kommission zur Errichtung eines supra-nationalen „Investment Court System“ für handels- und investitionspolitische Streitfragen anstelle der ISDS Mechanismen seien aber konzeptuell richtig. Strengere Regeln helfen gerade den schwächeren Parteien in Streitfragen, zum Beispiel den Kommunen.

Wie es weiter geht, hängt stark davon ab, welche nächsten Schritte die Handelspolitiker von Kommission und Regierungen unternehmen. Matthias Miersch MdB, Sprecher der Parlamentarischen Linken forderte, der Reformvorschlag der EU-Kommission für einen neuen Ansatz bei den Investoren-Staaten-Klagemöglichkeiten solle auch für das bereits ausverhandelte CETA gelten, sowie für alle anderen neuen Abkommen: „Sonst ist er das Papier nicht wert, auf dem er steht.“

 

 

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Anlässlich der PL-Konferenz Globalen Handel gestalten – TTIP und CETA verändern, die am 02. Oktober im Deutschen Bundestag stattfand, hat der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europäischen Parlament Bernd Lange seine Ideen für eine neue Welthandelspolitik vorgestellt. Nachzulesen sind diese Ideen in der Broschüre Wandel durch Handel. Für parlamentatrische-linke.de hat Bernd Lange den Text in 10 Thesen zusammengefasst:

  1. Ungehemmte Globalisierung ist gesellschaftliche Realität und die Globalisierung wird schlecht gemanagt. Die unregulierte Globalisierung bedeutet einen unkontrollierten „Wettlauf nach unten“ mit Druck auf Sozial- und Umweltsysteme. Globalisierung braucht also klare Regeln, um sie in die richtigen Bahnen zu lenken. Die Spirale nach unten muss durchbrochen und die Entwicklungsmöglichkeiten gestärkt werden. Handelspolitik muss hier mutig gestalten und auf Partner zugehen. Wandel durch Handel muss zu einem nachhaltigen und fairen Weltwirtschaftssystem beitragen.
  2. Globale Wertschöpfungsketten bestimmen heute die Welt. Waren werden nicht mehr allein in einem Land produziert, sondern sind „made in the world“. Die alte Handelswelt wird mehr und mehr durch ein neues System globalisierter Wertschöpfungsketten ersetzt. Damit geht eine Handelspolitik mit Zollsenkung und dem Beseitigen von nichttarifären Handelshemmnissen und Regulierungen in die falsche Richtung. Wir müssen einen Regelungsrahmen schaffen, indem wir global höchste Standards und Regelungen für die Wertschöpfungsketten festlegen. Insofern muss Handelspolitik heute mit neuen Themen umgehen.
  3. Mit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon 2009 ist die Handelspolitik in den Zuständigkeitsbereich der EU und des Europäischen Parlaments gerückt. Das Europäische Parlament spielt hier eine entscheidende Rolle und fungiert als demokratisches Gewissen der EU. Nur mit Zustimmung des Europäischen Parlaments kann ein Handelsabkommen in Kraft treten.
  4. Die bisherige Handelspolitik der Europäischen Union stand lange Zeit in der Kritik. Es gab kaum Kohärenz der verschiedenen Politikbereiche (z.B. mit Agrar-, Entwicklungs- und Industriepolitik), so dass Entwicklung von Partnern behindert wurde. Intransparenz und mangelnde Einbeziehung der Öffentlichkeit herrschten vor. Wir brauchen eine kohärente, integrierte und transparente EU-Handelsstrategie.
  5. Eine wertebasierte Handelspolitik ist notwendig. Unsere Werte der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Solidarität müssen sich widerspiegeln. Die Einbeziehung der Zivilgesellschaft und der Gewerkschaften in die Handelspolitik ist unabdingbar, damit die Legitimierung einer neuen Handelspolitik gestärkt und ihre Inhalte verbessert werden können.
  6. Das multilaterale System der WTO ist der effizienteste und am besten legitimierte Weg zur transparenten und demokratischen Gestaltung und Ausweitung von Handelsbeziehungen. Der multilaterale Ansatz hat daher klare Priorität. Aufgrund der Veränderungen im globalen Kontext gestalten sich die Verhandlungen auf WTO-Ebene jedoch als sehr schwierig.
  7. Bilaterale oder plurilaterale Handelsabkommen können nur als zweitbeste Lösung verstanden werden, aber gleichzeitig auch Standards und Regeln setzen. Hier müssen die Bedingungen stimmen und die WTO darf nicht unterlaufen werden.
  8. Handel muss fair sein. Es dürfen keine unfairen Handelspraktiken angewendet werden wie Exportdumping oder Sozial- oder Umweltdumping. Handelspolitik muss asymmetrisch sein und die jeweiligen Interessen des Partnerlandes berücksichtigen. Transparenz in der gesamten Wertschöpfungskette ist unabdingbar. Gleichzeitig muss die „Fair Trade Bewegung“ aktiv unterstützt werden.
  9. Nachhaltigkeit hat Priorität. Die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen ist Grundvoraussetzung. Produktion sowie Produkte müssen grundlegende Umwelt-, Sozial- und Sicherheitsnormen einhalten. Unsere hohen Standards im Verbraucherschutz und im Umweltbereich sollen Standardssetzen und sind nicht verhandelbar, Partnerländer müssen bei deren Umsetzung unterstützt werden.
  10. Handelspolitik kann und muss einen stärkeren Beitrag zur Bekämpfung von Fluchtursachen leisten. Handelspolitik muss nachhaltiges Wachstum und gerechte Wohlstandsverteilung in den Partnerländern fördern und die Menschen vor Ort unterstützen und deshalb neu ausgerichtet werden.

Die vollständige Broschüre gibt es hier zum Download:

 

 

Ein wirtschaftlich bedeutsamer Aspekt des Freihandelsabkommens CETA zwischen der EU und Kanada ist der durch das Abkommen erhoffte verbesserte Marktzugang für europäische Dienstleistungsunternehmen. Nachdem die EU bisher stets auf einen Positivlistenansatz setzte (nur die genau beschriebenen Dienstleitungen fallen unter die Freizügigkeit), verfolgt sie in CETA einen Negativlistenansatz: Im Prinzip soll der Dienstleistungszugang frei sein, nur die Ausnahmen werden definiert. Zum Thema Handel mit Dienstleistungen hat die PL am 7. Mai 2015 ein Fachgespräch mit Tine Hørdum, Referentin in der Stabsstelle Daseinsvorsorge der Stadtwerke Köln, durchgeführt. Wie sie über Negativlisten denkt und wo sie noch Verhandlungsspielraum sieht, erzählt sie im Interview. Weiterlesen

Datenschutz ist kein national zu bewältigendes Problem mehr. Wenn er wirksam sein soll, muss Datenschutz auf internationaler Ebene geregelt werden – eine solche Regelung fehlt aber bisher. Und auch die geplanten Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada, sowie das geplante internationale Dienstleistungsabkommen TISA sehen keine Regelungen zum Datenschutz vor.

Zusammen mit Dr. Alexander Dix (Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit des Landes Berlin) fand am 26.03.2015 ein Fachgespräch der PL zum Thema Datenschutz in Verbindung mit TTIP, CETA und TISA statt. Denn persönliche Daten und unser aller Spuren im Netz, die zu so genannten Metadaten werden, sind inzwischen zu einem weltweiten Handelsgut geworden. Außerdem findet kaum noch ein wirtschaftlicher Vertragsschluss ohne Nutzung und Verwendung digitaler Daten statt. Trotzdem sehen die geplanten Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada und das geplante internationale Dienstleistungsabkommen TISA keine Regelungen zum Datenschutz vor.

Die Rechtskulturen sind dabei weltweit sehr unterschiedlich. Während in den USA die Datenerhebung völlig unkritisch gesehen wird, gibt es in Europa die Vorstellung, dass bereits die Erhebung ein Grundrechtseingriff bedeuten kann. Auch am Beispiel der so genannten E-Discovery im Zivilprozess wurde dies sehr deutlich. Demnach gilt in den USA der Grundsatz, dass in Zivilprozessen alle privaten Daten transparent zu machen sind, die beweisen könnten, dass ein Kläger nicht im Recht ist. Dr. Dix führte dies am Beispiel einer Versicherungskundin aus, die im Rechtsstreit mit ihrer Krankenkasse gezwungen war, nicht nur Mails, sondern auch „nicht-öffentliche“ Facebook-Posts an die Versicherung herauszugeben. Seiner Meinung nach sollten die TTIP-Verhandlungen genutzt werden, um mit den USA hinreichende Regelungen im Sinne der europäischen Gesetzgebung zu vereinbaren.

In jedem Fall aber muss die Europäische Datenschutzgrundverordnung vor Abschluss der TTIP-Verhandlungen in Kraft treten, um einen hinreichenden Datenschutz zumindest im europäischen Raum zu gewährleisten. Tatsächlich gehört der Datenschutz zu dem durch das GATS-Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen geschützten hoheitlichen Regelungsbereich. Dahingehend sei keine Einschränkung der europäischen bzw. nationalen Regelungen zu befürchten, so Dix. Man müsse das geplante höhere Datenschutzniveau aber auch realisieren. Bei dem geplanten TISA-Abkommen bestehe die Gefahr darin, dass dieses sich nicht auf GATS stützt und Datenhandel Teil der damit vorgesehenen Liberalisierung des Dienstleistungssektors werden soll. Das wäre inakzeptabel – zumal TISA bislang im Geheimen vorbereitet wird.